Leichtigkeit neu entdecken – TFM

Vor der Tür – Menschen hetzen durch ihren Alltag, unbedacht was Stress mit ihnen anrichtet.
Entschleunigung – das ist das Gefühl wenn wie gemeinsam (Therapeut und Klientin) den Raum betreten.

Ein ruhiges Zimmer. Ein einfacher Holzstuhl. Eine Frau mit nacktem Oberkörper, der von einem Handtuch bedeckt ist, sitzt mit dem Rücken zu mir gewandt vor mir. Ein wenig Öl. Zwei Menschen die sich aufeinander einlassen möchten. 60 Minuten Berührungen, die hier und da Tränen zum fliessen bringen können. Erwartungen unterschiedlichster Art auf beiden Seiten. Zwei Auren erfüllen den Raum.
Ich darf Berührung schenken, sie darf Berührung erfahren und damit sich erfahren. Ihre Anamnese kenne ich genau. Die Blockaden an der Oberfläche fließen in die Entscheidung meiner Therapie mit ein. Ob und was sich unter meinen Händen an tiefem Schmerzen oder Wunden noch finden lässt, weiß ich nicht.

Ich lasse mich nun ein auf meine Hände, meine Intuition, mein Wissen und nicht zuletzt auf die Aura der Klientin.
Ich stimme mich ein mit einem immer wiederkehrenden Ritual. Einen Moment innehalten, die fremde Aura freudig begrüßen, zwei Hübe Olivenöl in meinen warmen Händen verteilen, tief durchatmen, um selbst zu Ruhe zu kommen und achtsam, wertschätzend und respektvoll den Körper des Menschen, der vor mir sitzt, zu berühren.
Die ersten Kreise meiner Finger sind wie eine Art Kennenlernen. Etwas unbeholfen, unrhythmisch, eher fahrig. Schnell werden meine Kreise ruhiger, weicher, fühlender. Wie ein Hauch berühren meine Finger den Menschen. Das durch die Bewegung erwärmte Öl lässt meine Finger mühelos gleiten. Das hat die Klientin nicht erwartet. Sie ist etwas irritiert, hat sie doch viel festere Berührungen erwartet. Sie horcht in sich und spürt nach. Die aufkommende Entspannung lässt alle Gedanken ihres Geistes langsam verschwinden.

Die sanften Kreise meiner Finger wechseln sich mit etwas intensiveren Streichungen ab. Meine Hände nehmen den veränderten Hautwiderstand wahr. Hier und da erspüren meine Hände festere Stellen. Stellen, an denen der Körper Blockaden abgelegt hat, Dinge die unser Sein mitbestimmen, Emotionen, gute wie negative, die in der Vergangenheit zu viel für uns waren. Hier bin ich besonders achtsam, visualisiere die Blockaden und schicke helles Licht in diese. Immer wieder lade ich die Aura des Menschen ein, sich fallen zu lassen, meinen Händen zu trauen und mir zu vertrauen, dass ich die Grenzen wahre.
Niemals berühre ich mit eigennützigem Interesse, niemals bin ich grob oder übe starken Druck aus. Niemals verändere ich Dinge, die nicht bereit sind sich zu ändern.

Das Öl beginnt auf der entspannten Hautoberfläche zu glänzen.
Immer wieder erfolgen Streichungen im langsamen Atemrhythmus der Klientin. Meine Finger zeichnen Spuren aus Öl auf ihrem Rücken. An manchen Punkten des Körpers gebe ich sachte pulsierende Stöße oder fordernde kleine Kreise, immer mit dem Zweck, das Gleichgewicht im Körper wiederherzustellen.
Manchmal lade ich das Organ achtsam ein, meinen Händen zu folgen oder wieder an seinen Platz zurück zu kehren. In diesem Augenblick bekommen manche Organe zum ersten Mal die Aufmerksamkeit die ihnen gebührt. Sie werden gefühlt sichtbar. Dabei kommt hier und da Unruhe/Hitze in der Klientin auf, die wir ebenso achtsam ableiten.
Es erfordert große Aufmerksamkeit auch gegen über mir selbst. Ich kann nicht heilen, ich muss nicht heilen, ich darf mich schützen. Manchmal überfrachtet uns die Energie des anderen zu sehr. Dann heißt es Stopp – Innehalten. Für sich sorgen und schützen, denn es ist nicht das Ziel Dinge der Aura zu übernehmen oder seine eigene Aura zu verlassen.

Immer wieder ist faszinierend, wie Hände im Zusammenspiel mit Öl und Geist Dinge verändern, die keiner für möglich hielt.
Ich schaffe es hoffentlich, dass die Leichtigkeit des Seins in das Wunderwerk Frau zurückkehrt und dass in nur 60 Minuten, manchmal auch nur für wenige Minuten – aber das Körpergedächtnis wird sich daran erinnern.

Fotos: Claudia A. Pfeiffer & Annie Spratt

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